„In Flux“ heißt das 2005er Album von Mr. Ravi Coltrane aus Brooklyn, New York. Und was könnte die Musik Coltranes besser beschreiben als dieser Begriff? Irgendwie war und ist bei ihm, dem Saxofonisten, Studiomusiker, Bandleader, Songschreiber und Labelgründer immer alles im Fluss. Wie könnte es bei DER Familie auch anders sein. Natürlich ist er es schon leid, beständig mit den Eltern konfrontiert zu werden, aber es gibt immerhin auch gemeinsame Konzerte: nicht mit Papa John Coltrane, dem großen Saxofonisten, Freejazzer und Mystiker – er starb viel zu früh 1967, als Ravi gerade zwei Jahre alt war –, aber mit seiner Mutter, Alice Coltrane, einer leider oft übersehenen, vorzüglichen Jazzpianistin und Organistin (die mit John die Verehrung für die indische Musik und Mystik teilte, daher auch Ravis Name: nach dem Sitar-Großmeister Ravi Shankar).

In jedem Falle legte diese außergewöhnliche Familie einen gewichtigen Grundstein: Durch sie erhielt er die Chance, schon im Jugendalter mit Leuten wie McCoy Tyner oder Herbie Hancock zu jammen. Was blieb also, als Musik zu studieren? Am California Institute of the Arts bei Lehrer Charlie Haden entstand das, was sich später als Flux äußern sollte: die allumfassende Neugierde und Experimentierlust des Ravi Coltrane. Besonderen Einfluss hatte in den ersten Jahren der große Unruhegeist Steve Coleman. Dessen M-Base-Gedanken von der Musik als fließender kreativer Kraft, die er mit jungen Künstlern wie Cassandra Wilson teilte und die zu Unternehmungen von der Klang-Feldforschung in Afrika bis zu Computerexperimenten am Pariser IRCAM-Institut führten, prägten Ravi Coltranes Musikkonzept nachhaltig.

1991 schließlich nahm Schlagzeuger Elvin Jones den gerade 26-jährigen Coltrane jr. in seine Band auf, und gemeinsam spielten sie mit der Elite des internationalen Jazz von Wayne Shorter bis Jack De-Johnette. Insgesamt entstanden in wenigen Jahren über 30 Aufnahmen als Bandmitglied und Sideman. 1997 schließlich wagte Coltrane selbst den Sprung ins Studio und spielte in klassischer Quartettbesetzung seine erste Platte „Moving Pictures“ ein. Hier zeigt er sich als Akustikjazzer reinsten Herzens mit warmen, teils funky, teils sehr balladesken Songs, eigentlich sehr klassisch in der Tradition eines Dexter Gordon. Es folgten weitere Veröffentlichungen bis hin zur gerade angekündigten sechsten Scheibe, die 2011 erstmals beim traditionsreichen Blue-Note-Label erscheinen wird. Wer aber denkt, nun ist er etabliert und strickt sein Jazzmuster die nächsten 40 Jahre, der kennt Ravi Coltrane schlecht: Gerade erst hat er mit dem Electronic-Frickler Flying Lotus an dessen Konzeptalbum „Cosmogramma“ gearbeitet. Soll heißen: Es werden sicher noch viele weitere Seitenwege folgen.