Festivalgeschichte

Die Vorgeschichte

Bis 1987 stand am Engelplatz im Jenaer Zentrum der alte Bau des Stadttheaters, gestaltet von Walter Gropius. Der Zuschauerraum wurde 1987 abgebrochen, um Platz für ein pompöses, nie realisiertes „Friedrich-Schiller-Theater“ zu machen. Der Abriss hinterließ stattdessen einen funktionslosen, zerstörten Bühnentorso sowie davor eine riesige Brache, die nach 1989 auch als Metapher auf das Jenenser Kulturleben dienen konnte. 1991 jedoch begann, auf Initiative des ersten Kulturdezernenten Klaus Hattenbach († 2010), ein sehr mutiges, sehr idealistisches Theaterteam in der Ruine wieder zu arbeiten, die Keimzelle des bis heute bestehenden Theaterhauses Jena. Ein auf dem Theatervorplatz aufgestelltes Zelt für das traditionsreiche Festival Pantomimetage wurde im Sommer 1991 zum direkten Vorläufer der Kulturarena. Im selben Jahr entwickelte eine andere Entdeckung Hattenbachs, der frisch aus Kassel gekommene neue Kulturamtsleiter Norbert Reif († 2000), gemeinsam mit dem Kulturdezernenten und zahlreichen Mitstreitern aus der städtischen Kulturszene die Idee zu einem städtischen, internationalen Musikfestival. Die Kulturarena wurde geboren: um die ruinöse Brache zu schließen, gut gelaunte Weltläufigkeit zu zu zelebrieren und für die Stadt wieder einen kulturellen Treffpunkt zu schaffen.

1992

Das erste Arena-Jahr nach einem Jahr Vorbereitungszeit, unter dem Motto „Kulturzüge Hessen-Thüringen“ veranstaltet vom Kulturamt Jena um Leiter Norbert Reif und Produktionsleiter Dr. Andreas Ittner. Kooperationen unter anderem mit den Festivals Heimatklänge Berlin und Kulturzelt Kassel (dessen Programmchef Lutz Engelhardt auch Künstlerischer Leiter des Arena-Programms wurde und bis heute ist) ermöglichen aus geringsten finanziellen Mitteln ein musikalisch anspruchsvolles Jazz/Weltmusik-Programm mit 22 Konzerten. Es ist, wie auch die Presse bemerkt, ein deutschlandweit sichtbares, staunenswertes Kunststück gegen alle Zeitzeichen. Die erzählen von Finanzkürzungsdebatten, zerplatzten Aufschwung-Ost-Träumen und dem Bild des uninteressierten Kleinstadt-Mecker-Ossis. Das hoffnungsfrohe Urteil nach Abschluss lautet: „Gewagt und gewonnen!“. Erstaunliche 8000 Zuschauer, etwa 400 pro Konzert, sehen die Arena-Premiere, mehr als die Gründer je zu hoffen gewagt hatten. Gespielt wird auf einer extra aufgestellten Bühne vor dem Theater, mit einem kleinen Zuschauerpodest und einer Schlechtwetter-Variante im Haus. Den Zuschauerrekord hält das Konzert der Puhdys, trotz sehr heftiger Diskussionen um Qualität und Moral der „angepassten DDR-Staatsmusiker“, gefolgt von einem der sehr rar gesäten, einhellig als Juwel beschriebenen Moondog-Konzerte.

1993

Der Erfolg des ersten Jahres fordert eine Wiederholung: Die 2. Kulturarena belegt den Theatervorplatz vom 16. Juli bis zum 21. August. Der Kulturarena-Geist wird geboren: die entspannte Offenheit eines festen lokalen Stammpublikums, die starke Identifizierung der Stadt mit Gästen aus aller Welt und die Neugier auf deren musikalische Mitbringsel. Arena-Leiter Reif bringt diese Tugenden bewusst in Gegenposition zu den 1993 beginnenden Ausschreitungen gegen Ausländer in Ostdeutschland. Jena hat ein Konzept dagegen: 37 Festivaltage mit Kultur aus aller Welt, erstmals auf der großen ehemaligen Vorderbühne des Theaters. Es entstehen neben den 24 internationalen Konzerten eine Reihe weiterer, bis heute wichtiger Programmteile: die Filmarena, auf Initiative des Film e.V. mit elf Filmabenden (unter anderem Christoph Schlingensiefs Ost-West-Trashmovie „Das deutsche Kettensägenmassaker“), die Kinderarena mit fünf Kindervorstellungen, eine Theatereröffnung mit dem Teatro Nucleo sowie eine Lesung mit Volker Braun. Auch die Wirtschaft engagiert sich erstmals mit reichlich Anzeigen- und Sponsoringverträgen. 19.000 Zuschauer machen aus dem Experiment endgültig eine schöne Tradition.

1994

Die Arena behebt ein heftiges Manko der Anfangsjahre: Aus den Zapfhähnen der Gastronomie um Herrn Müller und Herrn Glasow darf endlich Thüringer Bier fließen, statt des Kasseler Importes der Anfangsjahre. Kulturamtsleiter Norbert Reif spricht vom „längsten, einzigartigen Sommermusikfestival der neuen Länder“. Das Produktionsteam um Andreas Ittner erbaut dazu eine neue, größere Sitztribüne sowie ein Dach für die Arenabühne. Das weiße Segel am Platz des alten Theaterdaches prägt das Haus bis heute. 26 Konzerte vor allem zu den Schwerpunkten Afrika, Osteuropa und Frauenstimmen finden darunter statt, von Bill Evans über Aziza Mustafa Zadeh bis zum Balanescu Quartet. Auch die Jenaer Philharmonie beteiligt sich erstmals, mit einer groß angelegten Gustav-Holst-Aufführung. Hinzu kommen fünf Kinderarena-Vorstellungen. Die 14 Filmabende sind hinter dem Haus zu sehen. Erstmals werden alle Konzerte, wie bis heute üblich, um 22 Uhr beendet, wegen der zu hohen Schallwerte. Dieser Kompromiss erst erlaubt die endgültige Etablierung des Ortes Kulturarena mitten im Herz der Stadt.

1995

„Global denken – lokal handeln“, gibt Lutz Engelhardt als Maxime 1995 aus. Die Arena ist etabliert und weiß sich in einer geistigen Reihe mit ähnlichen erfolgreichen Festival-Neugründungen wie Lörrach, Heilbronn oder Rudolstadt. Die Presse erklärt die Verbindung Sommer – Kulturarena „schon fast“ zu einer Tradition. Der Film e.V. kann runderneuerte Projektionstechnik bieten. Erste Arena-Legenden werden gewoben: Der Funkmusiker Maceo Parker absolviert schon seinen dritten, umjubelten Auftritt auf dem noch jungen Festival (sein Bild ziert sogar, verfremdet, die Front des Heftes), und auch das Balanescu-Quartet, Aziza Mustafa Zadeh oder die Flying Pickets kommen gern zum zweiten Mal. Ansonsten steht 1995 unter einem Jazz/Rock-Stern, mit Künstlern wie Lester Bowie, Barbara Thompson, Randy Brecker oder Colosseum und Neuentdeckungen wie Edson Cordeiro oder der samischen Sängerin Mari Boine. Norbert Reif nennt dieses hohe Niveau „eine Referenz an ein sehr interessiertes (und zahlreiches) Publikum“.

1996

Das fünfjährige Jubiläum beschert der Kulturarena nicht nur ein Grußwort des Bundesministers des Auswärtigen (und Zuständigen für weltumspannende Kulturereignisse) Dr. Klaus Kinkel, sondern auch eine CD mit Highlights des bisherigen Programmes sowie zum ersten Mal Vorstellungen in einer „Außenspielstätte“: Im Kollegienhof finden sechs Arena-Theaterabende statt. Auch Kinkel kann allerdings die kurzfristige Absage der lang erhofften Deutschlandpremiere von Goran Bregovic nicht verhindern. Trotzdem besuchen wieder mehr, diesmal über 40.000, Zuschauer die Konzerte, Theater- und Filmabende. Erstmals ist mit John Cale auch das bislang als „Überraschung“ apostrophierte Abschlusskonzert vorab bekannt. Das hochkarätige Jubiläums-Line-up sorgt auch für hochkarätige Begebenheiten: Regisseur Martin Sulik gibt sich persönlich die Ehre, seinen Film „Der Garten“ vor Kinostart zu präsentieren, Marla Glen verlangt ein Luxus-Wohnmobil, und Rainbirds-Sängerin Katharina Franck bestellt Tofu als Catering. Im Jena des Jahres 1996 noch eine schwer lösbare Aufgabe für die Catering-Crew...

1997

Das Jahr markiert einen Rekord in der Arenageschichte: Zahlreiche Konzert-Film-Doppelabende (die in späteren Jahren nicht mehr veranstaltet wurden) ermöglichen die ausufernde Anzahl von 56 Veranstaltungen, davon 28 Konzerte und 18 Filme, an 43 Tagen. Das Produktionsteam um die neuen Leiter Dr. Margret Franz und Christoph Democh platziert passend eine neue, größere Zuschauertribüne: endlich rund, endlich wirklich Arena (übrigens gebraucht von einem durchreisenden Zirkus erworben). Der Platz erhält damit seine bis heute gültige Kapazität von maximal 3000 Zuschauern. Großkünstler wie Miriam Makeba, Sinead O‘Connor oder die Einstürzenden Neubauten nutzen diese weidlich aus. Trotzdem oder gerade deshalb spricht das Arena-Team erstmals von den Grenzen des Wachstums, zwecks Wahrung der Qualität. Eine Ausweitung jedoch findet höchsten Beifall: Die Theaterhaus-Regisseure Albrecht Hirche und Kathrin Krumbein inszenieren mit „Finster, Schiller, Finster!“ erstmals ein Theaterspektakel als Eröffnungs-Eigenproduktion. Damit begründen sie eine bis heute währende künstlerische Kooperation mit dem Theaterhaus.

1998

Das Arena-Team proklamiert eine „Rückkehr zu den unbekannteren Namen“, um an die experimentelle Anfangszeit anzuknüpfen. Trotzdem kommen auch Stars und gute Bekannte, wie Maceo Parker, Herbie Hancock oder Nils Petter Molvær, neben (fast) Unbekannten wie Tortoise, Tambours de Brazza, Badi Assad oder Yvette Bozsik. Das verflixte siebte Jahr schlägt mit zahlreichen Absagen zu, The Temptations und Aziza Mustafa Zadeh sind erkrankt, und die Arenaleitung muss stark gekürzten Finanzzuweisungen begegnen. Trotz dieser Nöte gibt es Neuerungen: Der Platz wird verlängert und damit ein eigener Gastrobereich hinter der Tribüne geschaffen, Ex-Produktionsleiter Andreas Ittner kehrt als Künstler zurück und inszeniert „Das Narrenschiff“ als groß angelegte Theatereröffnung, und das Kassablanca wird erstmals regulärer Arena-Standort mit drei ausgesuchten Clubkonzerten.

1999

Weimar ist Kulturhauptstadt, wieder wird in der Thüringer Presse – wie schon in jedem Jahr seit 1992 – eine Kooperation der beiden großen Kulturfestivals Kulturarena und Kunstfest vorgeschlagen. Wieder jedoch ohne Ergebnis. Dafür zeigt die Kultur-arena als Eröffnung die aufwändigste Theaterhaus-Produktion, die es je gegeben hat: „Urban Shots“ unter der Regie von Albrecht Hirche, Kathrin Krumbein und der Performancegruppe Desperate Optimists. Sie inszenieren auf dem riesigen Eichplatz mit Hunderten Beteiligten einen dystopischen Thriller. Weitere Highlights sind das lang erwartete Konzert von Goran Bregovic als Deutschlandpremiere, ein überfülltes Gastspiel des Buena Vista Social Club und internationale Künstler von Dr. John bis Femi Kuti. Götz Alsmanns erstes, umjubeltes Konzert markiert den Beginn einer sehr speziellen Beziehung, die ihn mit bis jetzt fünf Gastspielen zu einer ähnlich prägenden Figur wie Maceo Parker werden lässt. Pünktlich zum Kulturstadtjahr schenkt sich das Festival auch ein eigenes Logo: Das Segeldach über der Theaterhausbühne wird zum Symbol für Sonne, Sommer und musikalische Entdeckungsfahrten.

2000

Eine Milleniumsausgabe mit Licht und Schatten: „Arena-Vater“ und Kulturamtsleiter Norbert Reif musste im Herbst des Vorjahres nach unrühmlichen Vorwürfen Amt und Kulturarena verlassen. Seine Kündigung löst heftigste Diskussionen in der Stadt und der Verwaltung aus, Reif stirbt im Oktober an Krebs. Das Festival wird unter der schon bewährten Leitung von Lutz Engelhardt und Margret Franz weitergeführt. Künstler wie Mercedes Sosa, Nils Petter Molvær oder Element of Crime befriedigen Kritiker wie auch Zuschauer. Zum EXPO-Jahr spendiert sich das Festival auch einen neuen Spielort: Als EXPO-Außenprojekt wird ein Platz im Plattenbauviertel Lobeda-West zur Opernbühne erhoben. Mozarts „Zauberflöte“ begründet dort die bis heute wertvolle Lobedaer Arena-Ouvertüre. Erstmals in der Arena-Geschichte gibt es mit 65.000 Zuschauern weniger als im Vorjahr, aber das mit Grund: Die Platzkapazität ist nahezu erreicht. Um die Qualität und die lockere Atmosphäre zu halten, musste der beständige Zuwachs gedrosselt werden. Ab sofort heißt es: Veränderung statt ewiges Wachstum. Ein schönes Ziel für ein Kulturfestival.  

2001

Zur zehnten Jubiläumsausgabe stellt Ministerpräsident Vogel in einem Grußwort die „wesentliche Bereicherung“ fest, die die Kulturarena für die „starke Mitte Deutschlands“ bedeute. Zum Dank begrüßt ihn Omara Portuondo mit „Hello, Mr. President!“. Das Festival selbst feiert das Zehnjährige eher dezent, aber hochklassig: mit einem exklusiven Konzert der Jenaer Philharmonie mit Joe Zawinul. Als Eröffnung inszeniert Christian von Treskow „Brülle China“ von Sergej Tretjakow als statistenreiches, klassenbewusstes Spektakel, es folgen Konzerte unter anderem mit Till Brönner, John Cale, M.A. Numminen und René Aubry. Mit Candy Dulfer, Sierra Maestra oder Apocalyptica geben zahlreiche bekannte Gesichter eine Art Querschnitt durch die vergangenen zehn Arena-Jahre. Auch die Ouvertüre im Neubaugebiet Lobeda-West bekommt eine Fortsetzung, diesmal gleich als dreitägige Festivität mit Kinderprogramm, Philharmoniekonzert, Operngastspiel und Sommerparty.

2002

Die Euro-Einführung übersteht die Kulturarena ohne größere Preiserhöhungen. Für die Theatereröffnung „Die Räuber“ nach Schiller, erstmals als Musiktheater-Koproduktion mit der Jenaer Philharmonie, werden 220 Tonnen Sand auf den Platz geschaufelt und der Finanzdezernent Frank Jauch wird Opfer eines (inszenierten) Werbe-Raubzugs. Das weitere Festival hingegen wird von Regen und Absagen getroffen: So viele Konzerte wie noch nie mussten gestrichen werden, unter anderem von Favoriten wie Gotan Project oder Sigur Rós. Anderen geht es schlimmer: Für die vom Hochwasser verwüsteten Dresdner Filmnächte stellt die Arena kurzfristig ein Benefizkonzert auf die Beine. Dafür verzeichnen die Filmarena und die Kinderarena mit Abenden oft weit über der Tausendermarke Besucherrekorde. Erstmals gibt es auch ein Ausstellungs- und Klangkunstprojekt in der Friedenskirche zu bewundern. Eindeutig beliebtestes Konzert des Sommers wird der Abend mit Patti Smith, auch weil sie sich spontan früher einfand, um ganz privat in der Stadt Schiller und den Romantikern nachzuspüren.

2003

Dem Ordnungsamt sei Dank: Seit diesem Sommer darf die Gastronomie auf dem Arena-Platz auch unter der Woche bis Mitternacht bewirten. Zuvor musste um 23 Uhr Schluss sein. Dank dieser Entscheidung darf es sich weiterentwickeln, das „Arena-Feeling“. Jenes waltet nun auch wissenschaftlich nachweisbar dank einer nun ausgewerteten großen Zuschauerumfrage. Die Eröffnung gestalten die Jenaer Philharmonie und ihr scheidender Dirigent Andrey Boreyko zusammen mit einer Techno-Formation. An diesem Abend wird auch der 500.000 Arena-Gast begrüßt. Der neuerliche Gesamtrekord mit 72.000 Zuschauern ist auch dem Jahrhundertsommer und dem erstmals völlig absagefreien Programmablauf geschuldet. Und natürlich Künstlern wie Ibrahim Ferrer, Ute Lemper oder Wim Mertens. Den Spitzenplatz fährt nicht überraschend Farin Urlaub ein, während die Formation 17 Hippies wunderbar die Mehrspartigkeit demonstrieren kann, indem sie wenig später in der Filmarena als Figuren in „Halbe Treppe“ wieder auftauchen.

2004

Zur dreizehnten Ausgabe darf erstmals ein Kulturarena-Besucher das Programm-Vorwort beisteuern, mit einem flammenden Appell für die öffentliche Kultur im Allgemeinen und die Kulturarena im Besonderen. Das Theaterhaus untermauert diese Liebeserklärung mit einer Shakespeare-Eröffnung: Der „Sommernachtstraum“ ist gleichzeitig der Abschied des künstlerischen Teams um Claudia Bauer und Rainald Grebe. Die 280 Tonnen Sand, die der Bühnenbildner unter einen hervorragend wurzelnden Rollrasen packte, bereiten dem Technikteam mehrere Tage Kopfzerbrechen. Zur Konzerteröffnung mit David Byrne ist aber alles beseitigt. Es folgen so verschiedene Künstler wie Lhasa, Lambchop oder Gianna Nannini. An anderer Stelle wandelt die Arena auf historischen Pfaden: In der Stadtkirche wird die mittelalterliche „Jenaer Liederhandschrift“ vertont. Das Kassablanca wird als regelmäßiger Club-Standort integriert, und Reinhard Lakomy schafft in der Kinderarena das Kunststück, an einem Sonntagmorgen 3000 Menschen zu versammeln. Auch zur Kurzfilmnacht drängen sich Tausende Zuschauer, diesmal ist der Filmarena-Abend sogar Rahmen für eine Preisverleihung der DEFA-Stiftung.

2005

Endlich: Dr. Götz Alsmann, Musikologe und inzwischen sehr gern gesehener Arena-Dauergast, bekommt das Editorial des Programmheftes geschenkt. Und bedankt sich mit dem Bekenntnis, hier habe er gelernt, dass man auch ohne Bestuhlung vor teils reiferem Publikum spielen könne. Weil hier echte Musikbegeisterung herrsche. Das bemerken auch Künstler wie Nils Landgren, Rebekka Bakken, Esbjörn Svensson oder Khaled. Zum Abschlusskonzert mit Wir sind Helden bildet sich eine einhundert Meter lange Schlange vor dem Kartenvorverkauf. Die Theaterarena gestaltet erstmals das neue Team des Theaterhauses um Markus Heinzelmann und Marcel Klett mit der Inszenierung „Johanna“. Zuvor wird nach einem Jahr Pause in Lobeda mit „Carmina Burana“ wieder eine eigene Ouvertüre aufgeführt. Eine Ausstellung in der Friedenskirche und eine Landart-Installation im Paradiespark runden das Arena-Rahmenprogramm ab. Zum letzten Mal findet allerdings der Arenaball statt, nicht zuletzt wegen des heftigen Platzregens, der zum Ende die komplette Tontechnik samt Flügel unter Wasser setzt. Ein Dutzend Arenahelfer legen die Nacht über mit Wattestäbchen und archäologischer Zartheit die teure Technik wieder trocken.

2006

Im WM-Jahr und zur 15. Jubiläumsausgabe gönnt sich auch die Kulturarena einen Luxus für die Welt, die bei Freunden zu Gast ist: eine neue Sitztribüne, mit 659 Sitzplätzen (die alte war gebraucht gekauft). Um allen potentiellen Gästen auch die Fußball-Alternativen aufzuzeigen, gibt es erstmals schon im Mai einen Arena-Teaser. Die französische Sängerin Camille singt in der Stadtkirche. Im Juli finden in Thüringen wieder einmal sehr ernsthafte, erbittert geführte Gespräche über die Theatersubventionen statt, das Theaterhaus zeigt dazu passend als Arena-Eröffnung die „Dreigroschenoper“. Lutz Engelhardt führt diese Debatte für die Musikkultur weiter und entwirft die Kulturarena als erprobtes Modell für anspruchsvolle und gleichzeitig populäre (und damit auch wirtschaftliche erfolgreiche) Festivalkultur. Die erstreckt sich wieder über 30 Konzerte unter anderem mit Nina Hagen, Lizz Wright und Michael Nyman, das deutsch-französische Jahr sorgt für erhöhtes Savoir Vivre mit Konzerten von René Aubry, Nouvelle Vague und Julien Jacob.

2007

Ein Jahr nach Anschaffung der neuen Tribüne ist auch die dazugehörige Neugestaltung des Theatervorplatzes erfolgt. Ein erweiterter Rückraum und nun fest installierte Steinstufen schaffen sommers Platz für eine geräumigere Festival-Gastronomie und winters zumindest ein räumliches Amphitheater-Gefühl durch den klassisch-griechischen ovalen Zuschnitt. Die Theatereröffnung zeigt dementsprechend Aischylos‘ „Orestie“. Das Programmheft wird von der Künstlerin Tine Drefahl gezeichnet und gestaltet, die dazugehörigen Druckgrafik-Originale werden zu begehrten Kunstobjekten. Konzerte und Filme haben unter einer ungewöhnlich kalten Witterung zu leiden, die Gastronomen reagieren mit dem Rezept der Weihnachts-märkte: Glühwein statt Cocktails und Bier. Die dankenden Besucher sehen Konzerte von (bis dato) Unbekannten wie An Pierlé und Idan Raichel und Bekannten wie Willy DeVille und Calexico. Die Filmarena muss erstmals wegen Sturms an einem Abend ausfallen: leider ausgerechnet die mit großem Aufwand betriebene Aufführung von Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ mit Liveband.

2008

„Mit 17 (Jahren) hat man noch Träume“, spricht die Presse, trotzdem wird vorsichtig auf eine „gewisse Professionalisierung“ und drohende Marktorientierung nach 17 Jahren Erfolg hingewiesen. Anlass war unter anderem eine weitere Studie zu Vorlieben und Verhalten der Arena-Gäste. JenaKultur-Chefin Margret Franz hält entgegen, das Programm werde weiterhin „experimentell bleiben“. Lutz Engelhardt ergänzt, die Beschränkung der Finanzen könne auch ein Segen sein. So müsse man sich beständig neu erfinden. Dementsprechend beschwört Thomas Adapoe, Toningenieur und Arena-Soundchef seit 1993, im Editorial des Programmheftes die Vision der ersten Stunde: ein großes, gemeinsames Engagement für den kollektiven Gänsehauteffekt. Als Gast aus diesen Tagen kommt wieder Maceo Parker und spielt vor ausverkauftem Haus. Zur Halbzeit ersetzt ein großes Arenafest den früheren Arenaball. Weitere Gäste sind unter anderem The Notwist, Mayra Andrade, Trio Bravo und Hazmat Modine. Rainald Grebe feiert als Musiker ein umjubeltes Heimspiel vor seiner ehemaligen Wirkungsstätte, und seine Nachfolger am Theater inszenieren „Der Sturm“ als Eröffnungsspektakel.

2009

Nach 18 Jahren kommt eine neue Veranstaltungsreihe ins Kulturarena-Programm: Die intimere Akustik-Reihe, wie sie in den allerersten Jahren gelegentlich im Bühnenhaus des Theaters stattfand, soll nun im Volksbad die Open-Air-Konzerte auf dem Arena-Platz und die Clubkonzerte ergänzen. Als hochwürdige Einweiherin tritt Badi Assad auf. Im Konzertprogramm findet sich mit Feindrehstar seit Langem wieder eine Jenaer Band. Die Filmarena ergänzt den lokalen Bezug durch – eine Rarität voll Herzblut! – die Aufzeichnung des legendären Europacup-Spiels FC Carl Zeiss Jena gegen AS Rom aus dem Jahr 1980 (Endstand natürlich 4 : 0). Das weitere Konzertprogramm vollführt in diesem Jahr einen per Weltkarte ersichtlichen großen Round-the-World-Trip, alle fünf Kontinente sind vertreten, unter anderem durch Sophie Hunger, Soil & „Pimp“ Sessions, Ray Lema und The Cat Empire. Am Ende steht eine beachtliche Zahl: 71.500 Zuschauer.

2010

Was seit Jahrzehnten real auf dem Platz funktioniert, kann in der virtuellen Welt nicht falsch sein: Die Kulturarena öffnet sich den sozialen Netzwerken. Per Facebook und anderen Plattformen werden von nun an auch zwischen den Sommern engere Kontakte zu den Gästen, eigentlich ja: den Arena-Familienmitgliedern geknüpft. Die direkte, schnelle Ansprache eröffnet auch längst verloren geglaubte Felder der Spontanität inmitten des durchorganisierten Zeitplans. So kann DJ President Bongo nach dem Konzert seiner Band GusGus sehr kurzfristig noch eine Fortsetzung im Arena-Club Kassablanca offerieren, und 600 Leute folgen aufs Leidenschaftlichste. Mitten im Festival wird die insgesamt millionste Besucherin gekürt. Die Apoldaerin nimmt eine der ersten neuen Dauerkarten in Empfang. Das Gesamtprogramm steht unter dem Motto „Nordostpassagen“, mit Schwerpunkten in Skandinavien und Fernost, vertreten unter anderem durch Marit Larsen und das Shibusa Shirazu Orchestra, ergänzt durch Perlen wie CocoRosie oder Gustav. Das Theaterhaus eröffnet die Saison mit einer (freilich stark gekürzten) Hebbel-Fassung der „Nibelungen“.

2011

Wir danken unserem Publikum für zwei Jahrzehnte Kulturarena und freuen uns auf den gemeinsamen 20. Sommer in Jena!